In dieser Fotoserie geht es um eine Darstellung historischer baltischer Gutshauskultur in ihrer umgebenden Landschaft. Die ländlichen Gebiete Estlands und Lettlands sind geprägt durch ihre zahlreichen Gutshäuser mit angegliederten Wirtschaftsgebäuden und Parkanlagen. Einige wurden renoviert, ein großer Teil der Gutshäuser allerdings verfällt. Die Restauration bringt eine umfangreiche finanzielle Herausforderung für die kleinen Staaten Estland und Lettland trotz Förderung durch die EU mit sich. In dieser Arbeit findet eine subjektive fotografische Suche statt, die an historische Orte in Estland und Lettland führt. Die Blickrichtung ist die eines Gutshauses fiktiv aus vielen Orten zusammengesetzt. Der Schwerpunkt liegt auf einer poetischen magischen Perspektive.
Die Lüneburger Heide ist eine historische Kulturlandschaft im Nordosten Niedersachsens, welche seit der Jungsteinzeit durch Überweidung der ehemals weit verbreiteten Wälder entstanden ist. Heute wird die Landschaft mit lila Heidekraut, Wacholdern und Birken durch umfangreiche Maßnahmen erhalten. Bis in das 19. Jahrhundert war die Heidebauernwirtschaft in dieser kargen und dünn besiedelten Landschaft prägend. Mit der industriellen Revolution wurde die Heidelandschaft schützenswertes Gegenbild zum Leben in den Großstädten: Die Wanderbewegung mit hohen Besucherzahlen mündete in die Gründung eines bedeutenden Naturschutzparks. Großes Interesse an der Heide hatte auch das preußische Kriegsministerium, welches Flächen für Truppenübungsplätze und Truppenlager ab 1891 aufkaufte und nutzte – ab dieser Zeit fand eine intensive militärische Nutzung statt (Bedeutung im Ersten Weltkrieg, Kriegsgefangenenlager, Versuchsgelände im Zweiten Weltkrieg, KZ Bergen Belsen, Besetzung durch britische Truppen bis 1993, seit 1956 Bundeswehr). Spuren sind bis heute in der Landschaft sichtbar.
Mit dieser fotografischen Arbeit werden Spuren gesucht und Erinnerungsbilder erschaffen und so unterschiedliche historische Schichten gleichzeitig sichtbar gemacht. Von wichtiger Bedeutung ist dabei das “Idealbild von Heimat“ – ein einfaches Leben in Harmonie mit der Natur. Dieses Bild war Motor der Wanderbewegung, im Nationalsozialismus wurde es für ideologische Zwecke benutzt, heute dient es dem Fremdenverkehr. Die Fotografien sind auf analogem Rollfilm entstanden.
Mit der Arbeit “Abschiedsbriefe“ bewege ich mich fotografisch auf den sich verwischenden Spuren des Ehepaares Freya (1911 – 2010) und Helmuth James von Moltke (1907 – 1945). Sie gründeten die Widerstandsgruppe “Kreisauer Kreis“: Von 1940 bis 1944 fanden in Kreisau nahe Breslau lange unentdeckte Treffen zur Planung der Zeit nach Zusammenbruch der Hitler-Diktatur statt. Es ging u.a. um eine neue Gesellschaftsordnung und um das Denken eines vereinten Europas über politische, soziale und religiöse Unterschiede hinweg. Seine Position als juristischer Sachverständiger für Kriegsrecht nutzte Helmuth James von Moltke bis zu seiner Verhaftung u.a. zum Schutz von Menschenleben und für Kontakte mit dem Ausland während Freya von Moltke das heimatliche Gut verwaltete. Nach der versuchten Tötung Hitlers durch Stauffenberg am 20. Juli 1944 (ebenfalls militärischer Widerstand) wandelte sich Moltkes Schutzhaft in eine Haft mit sicherem Todesurteil. Aus dieser Zeit in Berlin Tegel gibt es tägliche Briefe zwischen dem Ehepaar: Der Gefängnispastor Harald Poelchau, ebenfalls Mitglied des Kreisauer Kreises, transportierte diese zusammen mit Lebensmitteln des Gutes Kreisau. Die Fotografien zeigen Orte, die in Zusammenhang mit den Abschiedsbriefen stehen: Gefängnis Tegel, Hinrichtungsstätte Plötzensee (heutige Gedenkstätte), Gedenkstein in Kreisau, Foto des Paares (vorne rechts).
Anja Putensens fotografische Arbeit „Zauberberg“ steht, wie im Titel erkennbar, in Verbindung mit Thomas Manns gleichnamigen Roman. In dessen Zentrum geht es um den siebenjährigen freiwilligen Aufenthalt des jungen Hans Castorp in der abgeschlossenen Welt eines Sanatoriums im Hochgebirge. Hier trifft der Protagonist auf weltentrückte Figuren, die ihn mit Politik, Philosophie, Liebe, Krankheit und Tod konfrontieren.
Ein wichtiger Quell für diese Arbeit ist der historische Ort Davos. Thomas Mann besuchte hier seine Frau im Sanatorium. Seine dortigen Erfahrungen und Eindrücke wurden im „Zauberberg“ verarbeitet. Zusätzlich fließen in das Werk Erfahrungen eigener Sanatoriumsaufenthalte, ein zeitgeschichtliches Empfinden und philosophische Gedanken ein. Der Roman spielt in der Vorkriegsmoderne zu Beginn des 20. Jahrhunderts - in dieselbe Zeit fallen auch Thomas Manns persönliche Sanatoriumsbesuche. Die Grundstimmung dieser Zeit, auch das „nervöse Zeitalter“ genannt, die Vorkriegsmoderne und auch die damit einhergehende Gesellschaftskritik finden sich im Roman wieder. Diese manifestieren sich in physischen (Tuberkulose) und psychischen Leiden (Neurasthenie). Letztere war zu jener Zeit eine weitverbreitete Modeerkrankung der Oberschicht. Es war eine funktionelle Nervenkrankheit die sich durch diffuse Symptome wie Müdigkeit, Schwindel, etc. ausdrückte. Als Ursachen nannte man die Hast und Unruhe des Arbeitslebens, die zunehmende Beschleunigung der Ereignisse sowie der zunehmende Konkurrenz- und Leistungsdruck und die daraus resultierende Individualisierung. Den Leiden wird der Gedanke der „heilenden Natur“ gegenübergestellt. Wer es sich leisten konnte, ging in ein Sanatorium um sich zu kuren. Dort fanden die Patienten medizinische und psychologische Hilfe sowie völlige Ruhe und die Zeit, sich auf sich selbst zu besinnen. Solche Aufenthalte dauerten mehrere Monaten bis hin zu vielen Jahren. Für Thomas Mann ist in seinem Roman der Sanatoriumsaufenthalt des Hans Castorp eine Art Zwischen- und Übergangsexistenz. Über den Protagonisten beschäftigt sich der Roman mit existentiellen philosophischen, psychologischen, politischen und religiösen Fragen. Die Stille und der Schnee dienen den Romanfiguren als Projektionsfläche für eigenes.
Hundert Jahre später in einer scheinbar völlig anderen Zeit begibt sich Anja Putensen auf Spurensuche in die Schweiz. Dort findet sie in einem ehemaligen Sanatorium in Davos, dem heutigen Hotel Schatzalp, einen Ort, völlig verändert und konservierend zugleich. Die Vergangenheit wird ein Stück lebendig. Sie schafft neue Bezüge und zeigt Parallelen.
Auf den Spuren der früheren Gefangenen Ushuaias/Feuerland
Ushuaia befindet sich im südlichsten Argentinien/Feuerland. Ab 1870 erreichten englische Missionare das Gebiet, 1884 konnte Argentinien den Ort im Seestreit für sich einnehmen. Bedeutsam für die Stadtentwicklung ist der 1902 begonnene Bau des Gefängnisses “Presidio“ – dieses ersetzte das ältere Gefängnis auf der Insel Isla de los Estados (Gründungsort von Ushuaia). Der neue Bau war ein riesiges Gefangenenlager: Spuren der Gefangenen sind noch heute in der ganzen Stadt sichtbar. Gewaltverbrecher und politische Gefangene wurden “am Ende der Welt“ unter unwirtlichen Bedingungen inhaftiert. Das Gefängnis wurde 1947 aufgelöst und beherbergt heute ein Museum.
Dokumentieren und fotografisch erschaffen möchte ich Orte, die etwas von den damaligen Haftbedingungen heute noch transportieren. Landschaftsaufnahmen wechseln mit Aufnahmen von Gebäuden und Detailaufnahmen.
Theoretisch hat sich u.a. Michel Foucault in seiner Schrift “Überwachen und Strafen“ (1978) mit der Geschichte der Freiheitsstrafe auseinander gesetzt. Die Machtverhältnisse und ihre Modifikationen zeigen sich in Praktiken der Arbeitsorganisation, im Umgang mit Gefangenen, in Strafpraktiken und nicht zuletzt im architektonischen Setting.